Die Sonderwertung Klassik des WDR und der Stadt Münster beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“

Am 14. und 15. September 2024 fand die letzte Sonderwertung des Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“, der Klassikpreis des WDR und der Stadt Münster statt. Zu dieser Wertung werden Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbes eingeladen, deren Interpretation eines klassischen Werkes im Rahmen des Bundeswettbewerbes herausragend war.

Drei Preisträgerinnen und ein Preisträger stehen neben einander mit Urkunden
Duo Anna Meipariani und Anna Ulmschneider und Duo Barnabas Csiszar und Hanming Deng

Dies sind in der Regel ausschließlich Erstbundespreisträgerinnen und -preisträger, so dass allein schon die Teilnahme am Wettbewerb eine besondere Auszeichnung darstellt.
Dieses Jahr waren insgesamt 12 Duos und ein Bläseroktett eingeladen, allein von der Stuttgarter Musikschule zählten vier Duos zu den Auserlesenen: Helena Belgardt, Klavier (Klasse Felipe Valerio) und Laetizia Claudi, Violine (Klasse Simone Riniker Maier), Anna Ulmschneider, Klavier  (Klasse Romuald Noll), die mit ihrer Schwester Carla und Anna Meipariani (beide Cellistinnen aus Klasse Giga Khelaia) in zwei Duos zur Wertung eingeladen war, sowie das Klavierduo Hanming Deng und Barnabas Csiszar (Klasse Romuald Noll).

Beim „Klassikwettbewerb“ wird dann das gesamte klassische Werk in voller Länge vorgestellt.
Aufgrund der speziellen Vorauswahl gilt der Klassikwettbewerb als besonders prestigeträchtig und zieht oft weitere Engagements nach sich. Traditionell spielen die Preisträgerinnen und Preisträger am Tag nach der Wertung ein Live Konzert, welches vom WDR mitgeschnitten und gesendet wird; der Sendetermin für die aktuelle Ausgabe ist am 10. Januar 2025 um 20.03 Uhr auf WDR 3.

Der 1. Preis des Wettbewerbes ging an das Duo Anna Meipariani und Anna Ulmschneider für den Vortrag der Sonate Nr. 2 F - Dur op.99 von Johannes Brahms, den 2. Preis sicherten sich Barnabas Csiszar und Hanming Deng für den Vortrag der Sonate für zwei Klaviere D - Dur KV 448 von W.A. Mozart.

Interview mit den Preisträgerinnen und Preisträgern über einige Aspekte ihrer Arbeit

Hallo Anna, Anna, Hanming und Barnabas,
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu euren großartigen Erfolgen beim Klassikwettbewerb!

Anna und Anna, die erste Frage an Euch: Sicher interessiert es viele, wie ihr mental mit dem „Gesamtpaket“ einer Wettbewerbssituation wie jener in Münster umgeht. Spielt es z. B. eine Rolle, wenn man weiß: da kommen nur Erstbundespreisträger, die Luft wird also dünn….

Anna Ulmschneider:
Ehrlich gesagt versuche ich bei jedem Wettbewerb, die gesamte Wettbewerbssituation und die Qualität der anderen Kompetitoren so gut wie möglich auszublenden. Am Ende muss ich mein Bestes geben – sich vorher den Kopf darüber zu zerbrechen, ob die eigene Leistung ausreichend sein wird oder daran zu denken, welche Anstrengungen vor einem liegen, hilft nicht. Ich versuche, stets ruhig zu bleiben und mich auf die Musik zu konzentrieren. Das Wettbewerbsspiel an sich gehe ich auch eher wie ein Konzert an.
Ich stelle mir vor, die Jury seien Zuhörer wie alle anderen auch, und ich versuche ein Konzerterlebnis für alle Zuhörer zu bieten.
Außerdem ist die F-Dur Sonate von Brahms ein so großartiges Werk, und sie mit Anna zusammen zu spielen, bereitet mir immer so viel Freude, dass ich das Klassikpreis-Wochenende natürlich als intensiv, aber viel mehr noch als sehr positiv empfunden habe.

Hanming und Barnabas, an euch die Frage:
Wenn man in Münster zu den Preisträgern zählt, spielt man ja am Tag nach dem Wettbewerb ein live vom WDR mitgeschnittenes Konzert mit dem kompletten klassischen Werk. Ist das nicht einigermaßen stressig?

Barnabas Csiszar:
Ja, das war ziemlich stressig. Man ist aber in musikalischer Hochform und kann die Energie und positive Spannung des Wettbewerbsauftrittes mit ins Live-Konzert nehmen.

Hanming Deng:
…genau, außerdem kam bei mir noch stark stressmildernd ein hervorragendes Frühstück vor dem live Konzert hinzu. So konnte ich mit Gelassenheit die herrliche Mozart-Sonate nochmals genießen.

Was war euer Eindruck von der Atmosphäre des Wettbewerbes in Münster?

Anna Meipariani:
Die Atmosphäre in Münster war unfassbar schön! Es waren tolle Teilnehmer und Jurymitglieder dabei. Es hat sehr viel Spaß gemacht!

Barnabas Csiszar:
Es war nichts von einer unangenehm kompetitiven Atmosphäre zu spüren, ich empfand aber Respekt und Hilfsbereitschaft bei diversen Fragen. Man hatte den Eindruck, dass es wirklich nur um die Bühne für große klassische Werke ging.

Anna Ulmschneider:
Ich habe die Atmosphäre auch als angenehm und locker empfunden. Nach der Ergebnisbekanntgabe gab es ein Buffet und für alle Teilnehmenden die Möglichkeit, mit der Jury ins Gespräch zu kommen und sich eine Rückmeldung einzuholen.

Hanming und Barnabas, ihr habt ja schon in verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen gearbeitet. Was habt ihr zur Gattung Klavier vierhändig und an zwei Klavieren anzumerken, unterscheidet sich die Arbeit im Klavierduo von anderen Besetzungen?

Hanming Deng:
Ich finde, man muss für diese Besetzung eindeutig mehr proben als in jeder mir bekannten anderen. Das liegt einfach am Wesen des Klaviertones, wo jede kleinste Verschiebung sofort extrem hörbar wird. Deswegen sollte man sich mit seinem Partner nicht nur innerhalb der Musik, sondern auch außerhalb gut verständigen können, sonst wird es schwierig. Ein weiterer Aspekt ist: Wenn man dasselbe Instrument spielt, erkennt man sehr schnell Schwächen und Stärken, man kann sich gegenseitig beraten und sich über persönliche Arbeitstechniken austauschen.

Barnabas Csiszar:
Man muss eine Freude daran haben, am gleichen Instrument unterschiedliche Art Musik zu präsentieren, an sie heranzugehen und sie zu verstehen, so dass sie letztendlich immer in einer perfekten Einheit mündet, in der zugleich die Vielfalt lebt. Als würde man Welten betreten, die nur mit vier Händen, aber einem Geist zu erschaffen sind.

Ihr habt euch entschieden, im Klassikwettbewerb statt eures Mendelssohn-Duos, für das ihr ursprünglich eingeladen wart, die gesamte Mozart Sonate für zwei Klaviere vorzustellen. Dazu musstet ihr über die Ferien den 1. und 2. Satz neu und auswendig einzustudieren, während ihr den Mendelssohn schon zur Gänze im Bundeswettbewerbsprogramm hattet.
Was war eure Motivation, einerseits das Risiko eines frisch einstudierten Werkes einzugehen und dabei gleichzeitig doch in erheblichem Umfang Ferienzeit zu opfern?

Hanming Deng:
Wenn man sich weiterentwickeln möchte, gehört ein gewisses Risiko immer dazu. Wir wollten die Möglichkeit als Chance nutzen, mehr und Neues über Mozart und über das Spielen an zwei Klavieren zu lernen, Frische und Abwechslung in unsere Arbeit zu bringen. Außerdem gefiel uns diese Sonate von Anfang an: wie Mozart die Instrumente in einen Dialog bringt, ist einfach bewundernswert. Der himmlische zweite Satz versetzt uns auch immer in eine andere Welt.

Barnabas Csiszar:
Unsere Entscheidung wurde auch durch einen sehr gut gelungenen 3. Satz im Bundeswettbewerb beeinflusst. Um dies zu erreichen, hatten wir eine lange und mühsame Arbeitsphase zu durchlaufen. Mozart hat meiner Meinung nach immer als Alleinstellungsmerkmal eine besondere Klarheit unter den Komponisten. Das Erlebnis, ein so heikles und anspruchsvolles Stück sehr gut ausgearbeitet, klar und präzise auf die Bühne zu bringen, gab uns die Motivation und die Zuversicht, auch das ganze Werk auf einem exponierten Podium zu wagen. Letztlich hat uns auch unser Lehrer in unserem Vorhaben ermutigt und bestärkt. Wir fühlten, dass dieses Wagnis neuen Schwung und Frische in unsere künstlerische Arbeit bringen würde, das war ausschlaggebend. Also haben wir einen großen Teil des August zusammen allein geprobt und dann im September bis zum Wettbewerb in einer Intensivphase mit unserem Lehrer. Insgesamt hat sich die geopferte Zeit für uns als äußerst fruchtbare, kreative Phase erwiesen.

Frage an Anna und Anna:
Ihr seid ja als Duo schon länger zusammen, habt z.B. die ganze große A-Dur Sonate von Beethoven schon einmal beim Jugendmusikfest „Beethoven reloaded“ aufgeführt. Für „Jugend musiziert“, wo ihr ja auch auf den Beethoven hättet zurückgreifen können, habt Ihr Euch entschieden, die Brahms-Sonate zu wählen.
Was sind für Euch die Unterscheide zwischen den beiden Werken, den Komponisten, bei der Erarbeitung, beim Vortrag?

Anna Ulmschneider:
Die Aufführung der A-Dur Sonate war Ende 2022, die Erarbeitung bis zu den geplanten Konzerten begann erst relativ kurz vorher und musste deshalb ziemlich schnell gehen. Dadurch war unsere Beschäftigung mit Beethovens genialer A-Dur Sonate leider nicht so intensiv wie die Arbeit an der F-Dur Sonate von Brahms, welche ein deutlich längerer Prozess war. Im Dezember 2023 begannen wir in Vorbereitung für den Regionalwettbewerb von „Jugend Musiziert“ die Proben und haben die Sonate dann bis zum Klassikpreis im September 2024 verbessert. Durch die lange und ausführliche Arbeit an der Sonate konnten wir sie mit all Ihren Eigenheiten genauestens erkunden und sie uns mit Hilfe unserer Lehrer immer besser erschließen. Unsere Interpretation konnte in der Zeit zwischen Dezember und September immer weiter reifen und ist immer persönlicher geworden. Deshalb kann ich schon sagen, dass mir die F-Dur Sonate im Moment besonders nahe ist.

Anna Meipariani:
Mir persönlich fällt die Brahms-Sonate schwerer. Die Struktur des Werkes ist viel komplexer und dadurch ist es komplizierter, die wichtige Stimme herauszuarbeiten und eine gute Balance zu finden, ohne dass das Ganze an Klangfülle verliert. Allerdings finde ich die Sonate von Beethoven mindestens genauso anspruchsvoll. Das Werk hat für mich etwas sehr Durchsichtiges, wodurch jede kleine Unsauberkeit sehr auffällt. Beide Werke zu spielen bedeutet mir, trotz der Herausforderungen, sehr viel.

Nach so einem in Deutschland doch sehr renommierten Wettbewerbserfolg, geht da die Motivationskurve nochmal nach oben, oder verharrt sie zunächst ein wenig im „Erholungsmodus“?

Anna Meipariani:
Ich persönlich freue mich immer auf neue Möglichkeiten und die Vorbereitungszeit auf Wettbewerbe und Konzerte. Die Motivationskurve steigt bei mir immer:)

Anna Ulmschneider:
Ein Wettbewerb ist natürlich immer ziemlich anstrengend. Egal wie entspannt man versucht zu bleiben, bei mir bleibt eine gewisse Aufregung. Man versucht alles aus sich herauszuholen und über seine Grenzen zu gehen. Daher kann es schon verlockend sein, sich danach erst einmal auf dem Wettbewerbserfolg auszuruhen. Doch die Freude über den Erfolg gibt mir persönlich die Kraft und Motivation, keine Pause einzulegen, sondern mich auf das Bevorstehende zu konzentrieren und weiter an mir zu arbeiten.

Frage an alle: Bleiben die Duos Anna und Anna, Hanming und Barnabas weiterbestehen?

Anna Meipariani:
Ich hoffe sehr, dass Anna und ich immer wieder Möglichkeiten haben werden, um weiterhin miteinander spielen zu können. Es macht mir einen Riesenspaß!

Anna Ulmschneider:
Ich denke, wir sind ein sehr gutes Team. Es wäre natürlich schön, wenn wir noch oft zusammen musizieren könnten.

Barnabas Csiszar: 
So lautet der Plan. Kammermusik lebt von Kommunikation, eine der essentiellsten Dinge im menschlichen Leben. Die Zusammenarbeit und Kommunikation in der Musik zwischen uns funktioniert sehr gut. Daher haben wir beide die Motivation, diese Zusammenarbeit weiter zu führen, neue Werke zu erkunden, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Hanming Deng:
Ja. Als Solist übt man immer allein, das fällt nicht immer leicht. Wenn man aber einen passenden Duopartner gefunden hat, übt man automatisch mehr, und selbst die langweiligsten Proben machen Spaß.

(Erstellt am 25. Oktober 2024)

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