Interview Antoine Muller Eben!Holz e.V.
Unsere Geigenlehrerin Corinna Hentschel-Stavi (CHS) hat sich mit dem Geigenbauer Antoine Muller (AM) getroffen, um mit ihm über den Verein Eben!Holz e.V. - Verein zum Schutz bedrohter Hölzer für den Musikinstrumentenbau – zu sprechen.
CHS: Wie lange gibt es den Verein Eben!Holz e.V. schon, und was macht ihr?
AM: Eben!Holz e.V. wurde 2013 gegründet. Das Problem um Fernambukholz war schon seit den 1990er Jahren bekannt, deshalb entstand damals schon die Initiative IPCI (International Pernambuco Initiative) zum Schutz und Erhalt dieser Spezies. 2011 spitzte sich die Situation um Ebenholz auf Madagaskar zu, weshalb im VDG (Verband deutscher Geigen- und Bogenmacher) eine Arbeitsgruppe gegründet wurde zum Schutz der Hölzer, welche traditionell zur Herstellung von Musikinstrumenten genutzt wurden.
2013 wurde uns ein erstes vielversprechendes Wiederaufforstungsprojekt im Nordosten von Madagaskar zur Finanzierung angeboten. Hierfür braucht man eine Vereinsstruktur, weshalb wir daraufhin den Verein Eben!Holz e.V. gegründet haben. Dieses erste Projekt kommt dieses Jahr zum Abschluss, und hier können wir schöne Effekte sehen. Nicht nur bei den Wäldern, sondern auch bei den Menschen, die um die Wälder herum leben. Ihre Lebensumstände haben sich deutlich verbessert: Es wurden Schulungen in Permakultur durchgeführt, was eine verlässlichere und gleichzeitig ressourcenschonende Versorgung mit Lebensmitteln ermöglicht. In diesen Gegenden entstehen mehr Schulen. Hier konnten wir z.B. Mobiliar mitfinanzieren oder auch die wissenschaftliche Arbeit eines Masterstudenten aus Antananarivo (Hauptstadt Madagaskars), in der positive Einflüsse verschiedener Pflanzen aufeinander erforscht werden und deren Erkenntnisse der Bevölkerung dort und unserem Projekt zugutekommen. Wir selber haben dadurch sehr viel zum Thema Artenschutz und schonender Umgang mit Ressourcen gelernt.
CHS: Wer ist Mitglied in eurem Verein?
AM: Unser 1. Vorsitzender ist der Bogenbauer Mathias Wohlleber aus Berlin. Ansonsten sind viele Geigen- und Bogenmacher, aber auch Musiker und Wissenschaftler Mitglieder unseres Vereins. Insgesamt haben wir aktuell ca. 120 Mitglieder aus vielen verschiedenen Ländern. Sogar aus Australien haben sich Geigenbauer unserer Initiative angeschlossen.
CHS: Woher kommen die Materialien für den Instrumentenbau?
AM: Bei Streichinstrumenten haben wir Fichte (Alpen/Südtirol), Ahorn (Bosnien bis Rumänien, auch teilweise China) und Ebenholz (West-Indien und Kamerun). Die Fichte ist das seit mehreren Jahrhunderten bevorzugte Material für die Resonanzdecke von Musikinstrumenten wie z.B. auch bei Klavieren und Gitarren. Bei Bassinstrumenten wird auch mal Pappel oder Weide statt Ahorn benutzt.
Bei Holzblasinstrumenten ist es hauptsächlich Grenadillholz (Tansania), aber auch Ahorn, bei Schlagwerkinstrumenten hauptsächlich Tropenhölzer (Süd-Amerika und Ost-Asien), beim Klavierbau Erle, Eibe, Rotbuche, Weißbuche, Ahorn, Fichte, Linde und Nussbaum.
CHS: Und was wird alles gebraucht, um den Bogen eines Streichinstruments zu bauen?
AM: Für die Bogenstange werden Fernambuk und Ipè (Brasilien) oder bei einfachen Bögen Brasilholz oder Ersatzstoffe wie Carbon oder Kohlefaser/Fiberglas verwendet. Für den Frosch Ebenholz (mittlerweile auch Ersatzstoffe) sowie (Neu-)Silber und Perlmutt, und der Bezug wird aus Rosshaaren hergestellt (von Wildpferden aus der Mongolei und Sibirien, teilweise auch aus Kanada oder Argentinien).
CHS: Welche Instrumentengruppen sind aus den o.g. Materialien gebaut?
AM: Streichinstrumente, Holzblasinstrumente (Klarinetten, Oboen, Fagott, Blockflöten), Schlagwerkinstrumente (Marimba, Perkussionsinstrumente usw.), Zupfinstrumente (Harfe, Gitarre u.a.), Tasteninstrumente.
CHS: Was sind Probleme bei der Materialbeschaffung für den Instrumentenbau?
AM: In Rumänien (Ahorn) z.B. steht die Region der Karpaten sehr unter Druck, da auch die Möbel- und Pellets-Industrie das Holz von dort nutzt. Hier gibt es die letzten und größten zusammenhängenden Urwälder Europas. Große europäische Möbel- und Baumarktketten holzen die Wälder der Region sehr stark ab. Korruption ist dort weit verbreitet, und es herrschen teilweise mafiöse Zustände. Unser Verein unterstützt eine Organisation vor Ort finanziell, die diese Missstände aufdeckt und vor Gericht bringt und sogar vor dem Europäischen Gerichtshof schon Erfolge erzielen konnte. Die gesamte Gegend steht nämlich unter dem europäischen „Natura 2000 Naturschutz”, was allerdings dort leider nicht so leicht durchzusetzen ist. Wir versuchen Kontakte in der Holz- und Geigenbauindustrie zu knüpfen, um langfristige, nachhaltige Projekte dort finden und unterstützen zu können.
CHS: Inwiefern beeinflusst die aktuelle Rohmaterialsituation den Instrumentenbau?
AM: Aktuell wirkt sich die Verknappung der Rohmaterialien noch nicht spürbar auf die Herstellung von Instrumenten und Bögen aus, da die Betriebe weltweit über gute Lagerbestände verfügen. Mittelfristig kann die Situation aber zur Bedrohung für unsere Berufe werden.
CHS: Gibt es qualitativ gute Ersatzmaterialien für Hölzer oder Haare?
AM: Bei Instrumentenbögen ist Carbon eine viel genutzte Alternative zu Fernambukholz (Streichinstrumente). Das Holz hat nachweislich eine “Qualitätshaltbarkeit” von mindestens 200 Jahren. Da Carbon aussprödet, ist meine Prognose, dass es voraussichtlich 20-30 Jahre seine Spieleigenschaften behalten wird. Ein Ersatz für Bogenhaare wäre z.B. ein neues Produkt auf Ölbasis. Dies ist allerdings noch recht teuer und noch in der Erprobungsphase.
CHS: Inwiefern werden Natur, Tiere und Arbeitskräfte vor Ort ausgebeutet, um unseren Bedarf zu decken?
AM: Das ist schwer zu sagen. Die Abholzung für den Instrumentenbau ist im Vergleich zu der Möbelindustrie verschwindend gering, aber natürlich nicht nichts. Wir haben die Hoffnung, dass durch unsere Initiativen ein Sinneswandel z.B. bei der Bebauung von Wäldern entstehen kann. Dass nicht flächendeckend abgeholzt wird, sondern ein bewussteres Anpflanzen, Stehenlassen, Ernten und Nutzen entsteht.
Ein großer Unterschied würde auch ein Mischanbau, z.B. Fernambukbaum als Schattenspender einer Kakaopflanze, machen. Permakulturen und natürlicher Wuchs im Gegensatz zu Monokulturen, die den Boden und das Klima belasten.
CHS: Merkt ihr Auswirkungen von Menschen gemachten oder klimabedingten Naturkatastrophen, wie bei den Amazonasbränden in Brasilien?
AM: Die Brände in Brasilien hatten keinen direkten Einfluss auf unser Handwerk, da die Ausfuhr von Rohmaterialien von dort schon seit 2007 nicht mehr erlaubt ist. Aber natürlich merken wir solche Katastrophen, ob durch extensive Landwirtschaft, politisch unterstützten Raubbau, illegale Abholzungen oder Naturkatastrophen wie Dürren. Fernambuk ist z.B. als natürlicher Restbestand kaum mehr vorhanden, sodass dieser kleine Rest fast gar nicht mehr in der notwendigen Diversität überleben kann. Deswegen haben wir in Brasilien ein Wiederaufforstungsprojekt für Fernambukholz in seinem natürlichen Lebensraum, in Mischung mit vielen anderen Pflanzen (z.B. brasilianische Zeder) angefangen. So können die Pflanzen und Tiere, so wie sie ursprünglich dort lebten, wieder angesiedelt werden.
CHS: Welche Projekte stehen aktuell an?
AM: Nach unserem erfolgreichen ersten Projekt in Madagaskar haben wir dort nun ein Anschlussprojekt auf den Weg bringen können. Neben dem Erreichen der gesetzten Ziele innerhalb der Projekte konnten wir auch beobachten, dass z.B. Schäden durch Zyklone (starke Hurrikans) in den Regionen, die wieder aufgeforstet wurden, geringer sind, als in den Regionen, in denen die Wälder abgeholzt wurden.
Dann haben wir ein Projekt mit dem Beethoven Orchester Bonn in Madagaskar. Hier wird neben der eigentlichen Vereinsarbeit auch noch den Kindern vor Ort Musikunterricht gegeben (keine westlichen, klassischen Instrumente, sondern die traditionellen von dort), hier können wir zwei Musiklehrer für regelmäßigen Unterricht finanzieren.
Außerdem läuft die Unterstützung der Organisation in Rumänien, und unser neues Projekt im Nord-Osten von Brasilien mit SAVE Brasil konnte diesen April starten.
CHS: Wie sieht eure Vereinsarbeit aus?
AM: Wir arbeiten mit Organisationen vor Ort zusammen. In Madagaskar z.B. mit der Organisation WCS Madagascar (Wildlife Conservation Society), die mit dem Zoo Zürich eine Kooperation in Madagaskar haben. Die Organisation hat trotz schwieriger politischer Verhältnisse vor Ort eine so starke Position, dass die geplanten Arbeiten erfolgreich umgesetzt werden können und das Geld ausschließlich in diese Projekte fließt.
In Brasilien ist die Organisation SAVE Brasil ausführender Partner des Projektes.
Wir versuchen auch immer wieder, uns vor Ort die Projekte und Organisationen anzuschauen und den persönlichen Kontakt zu pflegen.
CHS: Was ist euer Zukunftswunsch?
AM: Unser Hauptziel und Wunsch ist es, die Gefahren, denen die Hölzer, die wir schätzen und verarbeiten, ausgesetzt sind, zu verringern und aufzuhalten. Daneben aber auch ein Bewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, woher die Materialien kommen, welche Gefahren bestehen, und auf der anderen Seite, welche Auswirkungen Schutzbestimmungen auf die Musikerwelt haben können.
CHS: Wie können Musikschulen/-hochschulen, Musiker, musikbegeisterte Menschen und Institutio-nen euren Verein und eure Projekte unterstützen?
AM: Bei dieser Bewusstseinsbildung können Schulen, Träger, Lehrer usw. Aufklärungsarbeit leisten. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit Spenden zu sammeln, wie es z.B. das “Orchester des Wandels” aus Berlin regelmäßig macht. Seit zwei Jahren zählen zum “Orchester des Wandels” auch andere große Orchester wie die Stuttgarter Philharmoniker. Hier werden Benefizkonzerte für den Verein und vergleichbare Projekte veranstaltet. Oder das Beethovenorchester Bonn (Klimabotschafter), welches bei Veranstaltung fair-trade Schokolade verkauft und so Projekte finanziell unterstützt und auf die Problematik hinweist.
Ein Mitglied unseres Vereins, eine Wissenschaftlerin, hat während der Corona-Zeit Online-Vorträge für Geigenbauschulen gehalten, um über die Problematik aufzuklären. Solche Vorträge und Seminare bietet unser Verein auch jetzt an.
Aber auch das Bewusstmachen, dass die Preise billiger Instrumente in der Regel durch Raubbau und Ausbeutung der Arbeitskräfte zustanden kommen und hier nicht nur die Qualität des Instrumentes, sondern auch die Natur und Menschen darunter leiden.
Und natürlich freuen wir über jedes neue Mitglied, sei es als Vollmitglied oder im Kreis der Freunde und Förderer, und auch jede einzelne Spende hilft die Projekte weiterzuführen.
Link: https://www.eben-holz.org/
Foto Credits: 1.) und 2.) Silke Lichtenberg 4.) Marita Kavelashvili (Unsplash)
Holzlager - Dirk Kittelberger (Titelbild Artikel)